Sonntag, 17. April 2011

Ashram Life


Sivananda Yoga Vedanta Dhanwanthari Ashram
Neyyar Dam



„Om Namah Sivaaya“
Ich glaube, ich muss erstmal kurz erklären, was ein Ashram überhaupt ist. Grundsätzlich ist ein Ashram ein indisches Kloster. Das Sivananda Ashram wurde von Swami Vishnu-Devananda (dem „Guru“) zu Ehren seines Gurus, dem heiliggesprochenen Swami Sivananda gegründet. Das Ashram ist ein Ort des Friedens und Unterschlupf vor dem Druck des weltlichen Lebens. Es bietet einen sicheren Platz für persönliches „zu sich selbst finden“ und für spirituelle Ideale.
Leute aus aller Welt kommen hier her, um alle Aspekte und die Disziplin des ursprünglichen, indischen Yoga kennen zu lernen. 



Der Ashram wird hauptsächlich auf Freiwilligenbasis geleitet, alle Mitarbeiter arbeiten hier umsonst als Teil ihrer spirituellen Übung.
Es gibt ganz strikte Regeln zu befolgen, u.a.:
·         Karma Yoga (meine Karma Yoga Aufgabe war der Teeservice)
·         Stillschweigen beim Essen, vor dem Morgen- und nach dem Abendsatsang und keine Handys
·         Der Konsum von Alkohol, Drogen aller Art, Fleisch, Fisch, Eiern, Knoblauch und Zwiebeln ist verboten
·         Nur die rechte Hand darf zum Essen und zur Entgegennahme von gesegneten Gaben genutzt werden (für mich als Linkshänder natürlich besonders schwer)
·         Liebesbeweise wie Umarmungen, Küssen oder (Brahman bewahre) Sex sind nicht gestattet. Männer und Frauen sind in getrennten Mehrbettzimmern untergebracht.
·         Die Schultern, Oberkörper und Beine sind grundsätzlich immer zu bedecken (auch beim Schwimmen im See)
·         Der Ashram kann am Freitag ganztägig nach dem Morgen- und vor dem Abendsatsang verlassen werden, ansonsten nur mit Genehmigung.

Das Ashram verfügt über W-Lan und Internetcafé (obwohl das Internet meistens eh nicht funktioniert), eine Boutique, in der es alles gibt, was man so braucht (von Zahnbürste und Toilettenpapier über Bücher der Gurus und Chanting-CD’s zu T-Shirts , Meditationskissen, Yogamatten  und gesunden Snacks), eine „Health Hut (in der es leckere Fruchtsäfte, Shakes, Obstsalate und Toast gibt), Wäscheservice, eine Bibliothek und ein ayurvedisches Zentrum mit Doktor. Es gibt also eigentlich keinen Grund, den Ashram zu verlassen.

Der Tagesablauft ist wie folgt:
5:20 Aufstehen                                 6:00 Satsang (Meditation, Chanting etc)              7:30 Tee
8:00 Asanas (Yoga)                         10:00 Frühstück                                                    11:00 Karma Yoga
12:30 optionales Choaching           13:30 Tee                                                                14:00 Unterricht
15:30 Asanas (Yoga)                       18:00 Abendessen                                                  20:00 Satsang
22:30 Lichter aus

Dieser Ablauf ist von jedem Gast zu befolgen.
Das frühe Aufstehen hat mir am Anfang am wenigsten Gefallen. Mir als Langschläfer viel es unheimlich schwer, so früh und vor dem Morgengrauen aufzustehen. Der Satsang begann täglich mit einer Gruppenmeditation von 20 bis 30 Minuten und ich stellte fest, dass ich dazu einfach nicht in der Lage bin. Mir sind nach spätestens 15 Minuten im Schneidersitz (in den Lotussitz bin ich nichtmal annähernd gekommen) die Füße eingeschlafen. Auf ein Mantra (zB Om oder Om Namo Narayanaya etc) konnte ich mich auch nicht lange konzentrieren. Nach ein paar Tagen gab ich auf und schaute eigentlich nur blöd in der Gegend rum und versuchte, nicht einzuschlafen. Danach wurde ein “Chant“ gesungen, der eine gefühlte Ewigkeit dauerte. Chants werden in Sanskrit gesungen, sind heilige Texte und würden bei Übersetzung ihre Kraft verlieren. Das heißt, ich hatte keine Ahnung, was ich da eigentlich singe. 



Mein Lieblingsteil in diesem täglichen Chant war:
„Krishnam Vande Jagad Gurum
Shree Krishnam Vande Jagad Gurum

Anandoham Anandoham Anandam Brahm Anandam
I am bliss, I am bliss, bliss absolute, bliss I am“

Ich glaube mir hat es nur deshalb so  gut gefallen, weil es eine der letzten Strophen war..
Danach wurden noch ein paar mehr Lieder gechantet.
Mir hat ein Chant zu Ehren von Ganesha ganz gut gefallen:

Jaya Ganesha Jaya Ganesha Jaya Ganesha Deva
Maata Tumi Paarvati Pita Mahaadeva
Om Namah Sivaaya (4x)

Grundsätzlich hat mir das ganze gechante aber nicht sehr gut gefallen.
Danach gab es meistens eine Lesung aus einem der vielen Bücher der beiden Gurus.
Das Satsang fällt allerdings unter die Kategorie „Bakti Yoga“
Einmal in der Woche wurde der Satsang morgens und einmal abends aus der Shivahalle im Ashram an den See verlegt. Der Weg dahin war ein Meditationslauf, bei dem man nicht reden durfte. 



Ich stellte fest, dass mir der Meditationslauf viel besser gelang als das Meditieren im Sitzen. An einem Morgen standen wir noch früher auf als sonst und liefen eine Stunde einen Berg rauf. Ich lief völlig konzentriert und in Meditation und hatte keinerlei Probleme, diesen Berg zu erklimmen. Ich glaube, der Sonnenaufgang an diesem Morgen war für mich das schönste Erlebnis während meines ganzen Aufenthalts im Ashram.



An einem Morgen wurde eine Zeremonie zu Ehren von Ganesha gefeiert, wir konnten ein Feueropfer  machen und bekamen ein Bindu in schwarz rot und gelb auf die Stirn.

Nach dem Satsang gab es Tee. Der Teeservice war mein Karma Yoga.
Karma Yoga bedeutet eine „uneigennützige Tat“. Zur Erläuterung wurde uns eine ganz nette Geschichte erzählt, die „Chapati Geschichte“:
Eine Frau wohnte mit ihrem Sohn am Rande eines kleinen Dorfes, welches 10 Meilen von der nächsten größeren Stadt entfernt war. Ihr Sohn ging jeden Tag früh morgens in diese Stadt zum Arbeiten und die Mutter kümmerte sich um den Haushalt und Garten. Jeden Tag machte sie die besten Chapatis (indische Teigfladen, normalerweise als Beilage gegessen) für sich und ihren Sohn. Eines Tages sah sie einen alten, ausgemergelten Mann an ihrem Haus vorbei gehen. Sie entschied, ein paar mehr Chapatis zu machen und gab dem Mann diese. Er nahm sie und ging des Weges. Von nun an machte sie jeden Tag ein paar Chapatis mehr und gab sie dem alten Mann. Er nahm sie jeden Tag ohne Dank.
Nach einiger Zeit ärgerte sich die Mutter, dass der Mann sich nie bei ihr bedankte und entschied, sich zu rächen. Sie bereitete wieder ein paar Chapatis mehr für den Mann zu und mischte ein bisschen Gift darunter. Kurz bevor der Mann kam, entschied sie jedoch, ihm die vergifteten Chapatis nicht zu geben und machte schnell ein paar frische.
An diesem Abend kam ihr Sohn nicht nach Hause. Auch am nächsten Morgen war von ihm nichts zu sehen. Die Mutter kam fast um vor Sorge. Spät am Abend kam ihr Sohn nach Hause gehumpelt. Sie freute sich sehr, ihren einzigen Sohn wieder in die Arme schließen zu können. Sie sagte ihm, dass sie sich Sorgen gemacht hatte und schalt ihn, weil er nicht nach Hause gekommen war. Er erzählte, dass er sich auf dem Weg verletzt hatte und nicht mehr laufen konnte. Er lag die ganze Nacht neben der Straße und wurde vor Hunger und Schmerzen immer kraftloser. Am Morgen kam ein alter Mann den Weg entlang und gab ihm ein paar Chapatis, die genauso gut schmeckten wie die seiner Mutter. Diese Chapatis stärkten ihn soweit, dass er den langen Weg nach Hause bestreiten konnte. Die Mutter war zutiefst erschüttert, denn sie dachte, wenn sie dem Mann die vergifteten Chapatis gegeben hätte, wäre ihr Sohn jetzt nicht mehr am Leben.

Es gab die verschiedensten Karma-Yoga aufgaben, wie Essensausgabe, Mithilfe in der Health Hut und der Boutique, Zimmer und Toiletten sauber machen, Mülleimer leeren etc… Für jeden wurde eine Aufgabe gefunden. Wenn man sein Karma so richtig aufpolieren wollte, konnte man zu seiner Aufgabe noch ein optionales Karma-Yogas wie Essenshalle säubern oder Holz stapeln machen. 



Nach dem Tee wurden zwei Stunden Asanas geübt. Auf diesen Teil des Programms freute ich mich am meisten. Asanas sind Yogastellungen wie Kopf- und Schulterstand, Fischposition, Kobra, Heuschrecke, Dreieck, Bogen etc.
Die meisten Asanas kannte ich bereits, konnte sie jedoch nie richtig. Mein Ziel war es, am Ende der 2 Wochen den Kopfstand zu können. Ich schaffte ihn bereits nach 3 Tagen alleine. 



Außerdem „perfektionierte“ ich die Krähe und den Schulterstand. Die zwei Stunden vergingen immer wie im Flug. Der Kurs wurde unterteilt in Anfänger, Fortgeschritten und nachmittags optional „sanftes“ Yoga.



Danach gab es „Frühstück“ bzw Brunch. Das Essen wurde in der Essenhalle auf dem Boden mit den Händen gegessen. Ich musste erstmal lernen, mit der rechten Hand zu essen. Es gab typisch keralische Gerichte  bestehend aus Reis, Dahl, Kürbis und Okra, Roote Beete, Karotten und Gurken, Bohnen, Chapati usw. Das Essen war an sich nicht schlecht, wurde aber mit der Zeit recht langweilig da es nicht wirklich abwechslungsreich und auch nicht sehr würzig war.



Am Anfang hielt ich mich strickt an die Essensvorschriften und aß keinerlei Snacks zwischendurch. Nach ein paar Tagen hatte ich aber so einen Hunger, dass ich regelmäßiger Gast in der Health Hut wurde. Die Health Hut war sowieso DER Treffpunkt im Ashram. 

Nach dem Essen hatte ich meistens Freizeit, bis zu meiner Karma-Yoga-Aufgabe, dem Teeservice am Nachmittag. Manchmal half ich jedoch beim Holzstapeln oder beim Essenshalle putzen.

Um 2 Uhr hatten wir Unterricht und lernten alles Wissenswerte über Yoga. Yoga besteht aus vier Teilen: 
·         Karma Yoga (Hände)        = uneigennützige Tat
·         Bakti Yoga (Herz)            = Anbetung/Hingabe, Religion und Gebete
·         Raja Yoga (Geist)             = Meditation, Stärkung des Geistes, Asanas
·         Yana Yoga (Intellekt)        = Selbstfindung, Wissen

Somit gehört der Unterricht zum Yana Yoga.

Nach dem Unterricht gab es den zweiten Asana-Kurs des Tages und danach Abendessen.  Das Abendessen war meistens nicht besonders gut, weswegen danach die Health Hut aus allen Nähten platzte.

Der Abendsatsang war eigentlich wie der am Morgen, nur dass es einmal die Woche eine Talentshow gab, bei der ich mit ein paar Deutschen auch einmal auftrat. Wir gaben „Mein Kleiner Grüner Kaktus“ zum Besten. An einem Abend trat eine indische Band auf (ich fand die Musik aber ganz schrecklich) und einmal wurden die TTC (Teacher Training Course) Teilnehmer vorgestellt. Diese Veranstaltungen dauerten immer besonders lange und alle wollten eigentlich einfach nur ins Bett.
Nach dem Satsang war es nie wirklich ruhig, die Leute plauderten noch eine Weile, bevor es hieß: LICHT AUS!
Am 19. Mai war Vollmond und der Mond war der Erde so nahe wie seit 18 Jahren nicht mehr. Eine „Priesterin“, die zu der Zeit im Ashram war, machte an diesem Abend eine „Session“, bei der ich teilnahm. Es ist schwer zu beschreiben und zu erklären, worum es eigentlich ging. Kurz und knapp: die Dame ist eine Priesterin um uns zu helfen, unsere Bestimmung zu finden.  Ihre Bestimmung ist es, uns auf den richtigen Weg, also den Weg nach Hause, zu bringen. Wir wurden nämlich vor hunderten von Jahren aus dem All auf diesen Planeten gebracht und jeder hatte eine ganz bestimmte Aufgabe. Diese Aufgabe haben wir aber im Laufe unserer Leben vergessen.
Nun ja, an diesem bestimmten Abend war die Kraft des  Mondes wohl besonders stark und sie nutze die Gelegenheit, uns zu „öffnen“ und irgendwelche Seelen, die noch auf der Erde wandeln (Engel und Orgs oder so) sollten uns auf einer anderen Ebene eine Nachricht zukommen lassen. Man kann jetzt darüber streiten, ob die Dame einfach total irre war oder ob sie recht hat. Ich möchte darüber nicht entscheiden, denn eine Antwort, was richtig und was Schwachsinn ist hab ich nämlich auch nicht.
Nur so viel: ich habe an diesem Abend eine Nachricht erhalten, sie hatte aber nichts mit meiner Aufgabe auf diesem Planeten o.ä. zu tun. Zu ihren weiteren „Sessions“ bin ich aber trotzdem nicht gegangen.

Zu meiner Überraschung war das die einzige, etwas „merkwürdige“ Person im Ashram. Die meisten Leute waren wirklich sehr bodenständig und wie du und ich. Insgesamt waren ca. 70 Leute zur „Yoga Vacation“ wie ich und ca. 150 TTC’ler da. Die Leute kamen aus Allerwelt wie zB Japan/Südostasien, Kanada, USA, Argentinien, Holland, Schweden, Südafrika, Australien, Schweiz aber hauptsächlich aus Deutschland und Indien. Ich lernte ganz viele sehr nette Leute kennen und wir nutzten die wenige freie Zeit zusammen zum Reden, gingen in die Health Hut oder an den See. 



In meiner Zeit im Ashram wurde auch „Holi“, das Fest der Farben, gefeiert. Wir trafen uns alle am See und bewarfen uns mit pinker, blauer, lilaner und grüner Farbe. Dazu wurde ausgelassen getanzt und wir hatten eine Menge Spaß. Uns wurde gesagt, dass wir die Farbe im See auswaschen könnten, sie ging aber nicht mehr richtig ab und ich habe heute noch eine pinke Haarsträhne. Ich hatte ja schon fast die Hoffnung aufgegeben, dass man in Indien irgendwie richtig Spaß haben kann, aber das Holi war  schon sehr geil und eine willkommene Abwechslung im Ashram-Alltagstrott. 



Ich muss zugeben, dass mir das alles (vor allem das Chanten und das Essen, aber sogar teilweise das Yoga) am neunten Tag zu blöd wurde. 10 Tage hätten mir also vollkommen gereicht, ich saß aber meine 14 Tage komplett ab, ich ließ insgesamt nur 3 Mal Yoga und 3 Mal den Satsang ausfallen.
Das Essen hab ich nur ein Mal verpasst, nämlich am freien Freitag, als ich mit Maria und Michaela in die nächstgrößere Stadt gefahren bin um ein paar Schlemmereien einzukaufen.

Rückblickend muss ich sagen, dass ich um eine großartige Erfahrung reicher bin, ich bin definitiv an meine körperlichen und vor allem spirituellen Grenzen gestoßen, habe viel über mich selbst und vor allem über Yoga und Hinduismus gelernt und tolle neue Freunde gefunden.
Ich fühle mich sehr ausgeglichen, relaxt, sehr gesund und müde.

Wow, das war jetzt wohl einer meiner längsten, lehrreichsten und laaaaaaaangweiligsten Einträge, entschuldigt vielmals, aber das muss auch mal sein ;)
Jetzt freue ich mich erstmal auf zwei Wochen schlafen, tauchen und Beachlife auf den  
Andaman Islands…
„Om Tat Sat!“



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