Freitag, 28. Oktober 2011

Singapur




Nach dem Retreat verbrachte ich ein paar schöne, sehr relaxte Tage mit Miecke, einer Belgierin die ich dort kennengelernt hatte, auf meiner persönlichen Lieblingsinsel Thailands: Koh Lanta. Von dort aus zog ich weiter nach Singapur. Dafür musste ich zuerst mit einem Minibus nach Trang. Dort stieg ich in einen weiteren Minibus zu einem Busbahnhof außerhalb von Trang und stieg dort wieder um in einem Minibus nach Hat Yai. In Hat Yai hatte ich ein paar Stunden Aufenthalt. In dieser Zeit gönnte ich mir mein Lieblings Thaiessen und eine Thai-Massage. Gestärkt und entspannt stieg ich in einen „VIP“-Bus, der mich über Nacht von Thailand über Malaysia nach Singapur brachte.
Nach insgesamt 26 Stunden kam ich in Singapur an.


Dort zog ich in ein Hostel in „Little India“, ein, wie der Name schon sagt, sehr indisches Viertel. Ich hätte nicht im Traum daran gedacht, dass es sich dabei wirklich um ein kleines Indien in Singapur handelt. Es gibt dort alles, was ich von meinem Aufenthalt in Indien her kenne, vor allem aber  viele Inder und  indisches Essen. Was mich etwas irritiert hat war, dass es dort nur ganz wenige rein vegetarische Restaurants gibt und auf dem bekannten Essensmarkt gab es überhaupt kein vegetarisches Gericht. Dafür ist in Indien selbst kaum Fleisch aufzutreiben. Diese Inder schaffen es doch immer wieder, mich zu überraschen…


Von Little India aus erkundete ich die Stadt, die wirklich die mit Abstand am besten Entwickelte ist, die ich bisher in Asien besucht habe. Sie ist modern, es ist unglaublich sauber, der Verkehr ist gut geregelt, es gibt keine Tuk Tuks oder Richshaws o.ä. dafür aber ein ganz tolles öffentliches Verkehrsnetzt und vor allem sehr viele Einkaufszentren.  Ich hatte das Gefühl, dass einkaufen eine Art Volkssport in Singapur ist.
Singapur ist auch bekannt für seine sehr günstigen Elektronischen Geräte. Vor allem Digitalkameras kann man dort zu einem Spottpreis ergattern.
Alles in allem spürt man in Singapur den westlichen Einfluss enorm (vor allem an den recht hohen Preisen) und doch kommt manchmal die Kultur der Einwanderer aus hauptsächlich China, Malaysia und Indien durch. 


Mein Erkundungstour führte mich z.B. nach Bugis Village, ein reines Shoppingviertel, in dessen Straßen es überall nach Stinkfrucht– eine Spezialität in vielen asiatischen Ländern -„duftet“  da sie auf der Straße geschnitten und verkauft wird . Mir dreht es bei dem Geruch (und auch beim Geschmack) den Magen um. 


In Chinatown wimmelt es nur so von Chinesen und Touristen. Es gibt eine Einkaufsstraße in der jeder Schnickschnack unter die Leute gebracht wird – hauptsächlich importierte Ware aus China natürlich. Merkwürdiger Weise findet sich dort auch ein sehr kitschiger Hindu-Tempel, den man eher in Little India erwarten würde. Dort wiederum kann man in einer Moschee gen Mekka beten. 


In der Arab Street riecht es nach Shishas und gegrilltem Fleisch und man fühlt sich gleich in den Orient zurückversetzt. Diese Straße war mir am liebsten, vor allem wegen dem leckeren Dattelshake und frischem Pfefferminztee. Dort traf ich mich auch mit Thomas, einem Allgäuer der in Singapur lebt und den ich vor über einem Jahr kennen gelernt habe als er seinem Kumpel half meinen Schrank abzuholen, den dieser über Ebay ersteigert hatte.







Meine Erkundungstour führte mich auch in die Orchard Road – die Leopoldstraße Singapurs. Dort reiht sich ein Einkaufszentrum an das nächste. Ich verirrte mich in eines, in dem ich eine Indoor Kletteranlage und einen Lustgarten auf dem Dach fand. 


Von diesem aus hat man einen ganz wunderbaren Blick auf Marina Bay und das Marina Bay Sand. Von diesem aus habe ich auch die Aussicht über Singapur genossen. Auf beiden Dächern fing es kurz nach meiner Ankunft an zu regnen und Singapur versank im Nebel. 


 Ich besuchte das SAM (Singapore Art Museum), in dem gerade eine Ausstellung von Hyung Koo Kang zu bewunder war.



Koo Kang hat sich auf Portraits spezialisiert und malt neben sich selbst seine Lieblingsmaler, prominente und ganz gewöhnliche Leute – manchmal skurril, manchmal Lebensecht, manchmal auf Leinwand, manchmal auf Aluminium aber immer sehr groß!


Im SAM 2 gab es noch andere Ausstellungen. Am meisten gefiel mir die Installation „Karaoke im Badezimmer“ in welcher die Besucher in einem Badezimmer entweder unter der Dusche, auf der Toilette  oder vor dem Spiegel  am Waschbecken Karaoke singen, aufnehmen und ins Internet stellen können.


Das absolutes Highlight meines Aufenthaltes in Singapur war mein Besuch im Zoo und Night Safari.
Ich verbrachte einen ganzen Tag in diesem wunderschönen Zoo, der wie ein Regenwald gestaltet ist. 


Ich wurde von ganz niedlichen Lisztaffen begrüßt, die ohne Gitter oder Glaswand in den Ästen eines Baumes umhersprangen. Weiter ging es zu den Ottern, den Kleinkantschils, Riesenschildkröten und Komodowaranen. Die Orang-Utans turnten über unseren Köpfen in den Bäumen,  die anderen Affenarten wie Paviane, Schimpansen und die seltenen Nasenaffen waren auch zum greifen nah. 


Die Flughunde flatterten in einem geschlossenen Gehege, durch das man laufen kann, um uns herum und labten sich an den leckeren Wassermelonen und die Lemuren erschreckten ein paar Schulkinder.
Ich besuchte die Shows „Der Regenwald schlägt zurück“, in der einige Affen über uns auf Seilen entlangliefen und ab und zu ein kleines Geschenk fallen ließen und „Asiatische Elefanten beim Arbeiten und Spielen“, bei der gezeigt wird, wie stark, gewandt, intelligent und feinfühlig Elefanten wirklich sind. 


Es gab auch Weiße Tiger, Löwen, Giraffen und Zebras, Leo- und Geparden, Tapire, Nashörner, Zwerg-Nilpferde, Kängurus, Kasuare, Seelöwen, Pinguine, einen Orchideen- und Exotengarten mit vielen verschiedenen, asiatischen Pflanzen, Früchten und Gemüsearten, ein Kinderreich mit Streichelzoo und vieles mehr. Ich entdeckte ganz viele mir bisher unbekannte Tierarten. Am meisten freute ich mich als ich die Tierchen entdeckte, die ich so niedlich finde obwohl sie die meisten Menschen anwidern und ich schon immer mal in echt sehen wollte: die Nacktmullen! 


Ich verbrachte bestimmt eine Stunde damit, diese süßen, „faltigen Würstchen mit Zähnen“ beim kuscheln, schlafen, fressen und buddeln zu beobachten. Leider hatte ich meine Reisemulle nicht dabei, ich hätte sie gerne mit ihren Artgenossen bekannt gemacht…

Am Abend ging ich dann in die benachbarte Anlage zur Nachtsafari, bei der alle nachtaktiven  Bewohner des Zoos erst von einem „Zug“ aus und dann zu Fuß zu bewundern waren. Vor allem der große Tiger war sehr aktiv und streifte wie wild in seinem Gehege umher. Auch die Otter waren ganz aufgeregt und quietschten sehr laut. Man sagte mir, das liegt am Regen, der manchen Tieren ganz viel Freude macht – kein Wunder bei dem tropisch-heißen Klima (Singapur liegt ja fast am Äquator).


Meine letzte Überraschung in Singapur erlebte ich dann am Flughafen: dort gibt es neben einem Kino, Fußmassagesesseln und freiem Internetzugang über im ganzen Abflugbereich bereitgestellte Computer einen Schmetterlingsgarten!
Singapore Changi Airport ist mit Abstand der tollste Flughafen, von dem ich jemals abgeflogen bin!

Und wie ich hier sitze und über meine vier kurzen Tage in Singapur nachdenke kann ich euch schon ganz herzlich aus Bali/Indonesien grüßen.

Donnerstag, 27. Oktober 2011

Meine Neue Realität


„Meine neue Realität“
Ein Gedanke nach einem Jahr auf Weltreise
26.10.2011


Reich ist man nicht durch das, was man besitzt,
sondern mehr noch durch das, was man zu entbehren weiß.
Und es könnte sein, dass die Menschheit reicher wird,
indem sie ärmer wird,
dass sie gewinnt,
indem sie verliert…

Ich muss gestehen, ich habe diesen Spruch bis heute nie richtig begriffen, obwohl ich ihn verstanden habe. Nach einem Jahr auf dieser ganz persönlichen Reise, nicht nur um sondern auch in die Welt, begreife ich langsam den wahren Sinn dieses fantastischen Spruches.


 Ich bin auf dieser Reise sehr viel reicher geworden:  reicher an neuen Erfahrungen und Reife, an Erkenntnissen und Wissen, an schönen und schlechten Erinnerungen und an neuen Bekanntschaften. Ich fühle mich nach diesem Jahr reich und sehr glücklich. Dieser Reichtum und das Glück kommen nicht von materiellen Dingen; man kann es nicht mit Geld kaufen, nicht verschenken und auch nur schwer beschreiben. Man kann es nur  ErLEBEN.
Es ist eine Mischung aus der Bekanntschaft mit dem Unbekannten, der Flucht aus dem Alltag, der Sucht nach Abenteuer, dem Entfliehen aus der „Realität“ in einen Traum – eine Art paralleles Universum – der  schleichend und übergangslos zur „neuen Realität“ wird. Es ist, als ob man eine Brille aufgesetzt bekommt, durch die man die Welt auf einmal viel visueller, greifbarer und realer sieht.
Es ist aber nicht nur das Sehen, es ist auch das Spüren, das Hören, das Riechen, das Schmecken und das Denken, das realer wird. Man taucht ein in dieses „parallele Universum“ mit all seinen Sinnen und plötzlich wird es zur „neuen Realität“: das unverschleierte, unzensierte und pure Leben.


Ich bin reich geworden, obwohl ich ärmer geworden bin – ärmer an materiellen Dingen, an Dingen die ich entbehren musste und wollte. Die Erkenntnis, dass man das „Materielle im Überfluss“ überhaupt nicht braucht um wirklich glücklich zu sein, bekommt man erst wenn man sich traut, dem Materialismus den Rücken zu kehren und es zulässt in diese „neue Realität“ mit all seinen Sinnen einzutauchen, wenn man die Augen aufmacht und sich die Welt aus einer anderen Perspektive anschaut.  


So bin ich also reicher geworden, indem ich ärmer geworden bin.
Aber habe ich auch gewonnen, indem ich verloren habe?

Man kann Materielles verlieren, man kann Freundschaften verlieren und man kann sich selbst verlieren. Materielles habe ich nicht verloren, ich habe es freiwillig weggegeben. Freundschaften habe ich auch nicht verloren;  im Gegenteil, ich habe sogar neue Freundschaften gewonnen und meine alten Freundschaften sind glücklicherweise immer noch intakt. Ich habe mich selbst nicht verloren, nur ein „anderes Selbst“ gefunden.
Und dennoch ist es wahr, dass ich gewonnen habe, indem ich verloren habe – im übertragenen Sinn.
Ich habe meine „Realität“ verloren und durch eine neue Weltanschauung eine „neue Realität“ gewonnen. Und dieser Gewinn ist so viel mehr wert als ein materieller Gewinn.


Durch diese neue Weltanschauung, durch das Gefühl von Glück und Reichtum und die daraus resultierende Zufriedenheit, die ich in meinem tiefsten inneren Empfinde, bin ich davon überzeugt, dass die gesamte Menschheit davon profitieren würde ärmer zu werden um reicher zu werden - zu verlieren um zu gewinnen!





Dienstag, 18. Oktober 2011

Suan Mokkh Meditationsretreat




Suan Mokkh ist ein Waldkloster in Chaiya, in der Nähe von Surat Thani, und bietet jeden Monat einen 10-tägigen Meditationsretreat in Englisch für westliche Interessierte im benachbarten, eigens dafür erbauten, Zentrum an. Der bereits verstorbene ehrwürdige Buddhadasa Bhikkhu erbaute das Zentrum um seine Auffassung des Buddhismus und der buddhistischen Meditation weitergeben zu können. Er erlangte durch seine einfachen Erklärungen des recht schwer zu (be)greifenden Buddhismus und seine weltliche, bodenständige und einfache Lebensweise hohes Ansehen in Thailand und viele thailändische wie westliche Anhänger. Eines seiner Bücher, „Handbuch für die Menschlichkeit“, wurde in mehrere Sprachen übersetzt und ich kann es nur jedem ans Herz legen, dieses Werk einmal zu lesen. Er sagt u.a. über den Buddhismus:
„… Auch Buddhismus hat seinen Ursprung in der Angst (sowie alle großen Weltreligionen), nicht der törichten Angst des ignoranten Menschen, der vor Götzenbildern oder unverständlichen Phänomenen niederkniet und Ehrerbietung zeigt, sondern einer höheren Art von Angst, der Angst vielleicht niemals von der Unterdrückung durch Geburt, Altern, Schmerz und Tod, sowie den anderen vielseitigen Formen von Leiden, die wir erleben, frei zu sein. Der wirkliche Buddhismus besteht nicht aus Büchern oder Leitfäden oder Wort-für-Wort-Aufsagen der Tripitaka oder Ritualen oder Zeremonien. Der wirkliche Buddhismus ist die Praktik, die die Unreinheiten des Geistes, die sich in unserem Tun, Sagen und Denken ausdrücken, erst teilweise und später vollständig beseitigen. Man braucht keine Bücher oder Leitfäden. Man soll sich nicht auf Rituale und Zeremonien verlassen oder Dinge, wie Geister oder himmlische Wesen. Vielmehr soll man sich direkt mit dem befassen, was man denkt, sagt und tut; das heißt, den eigenen Geist betrachten und seine Inhalte beobachten, um die geistigen Unreinheiten zu erkennen und mit klarer Einsicht zu kontrollieren. Man ist dann automatisch in der Lage, sich angemessen zu verhalten und bleibt frei vom Leiden…“

Für diese Auffassung des Buddhismus und zum Erreichen des Nirvana (was eine Geistesbeschaffenheit ist die von allem Leiden in diesem Leben – und nicht wie oft fälschlich angenommen nach dem Tod –  befreit) ist die Meditation essenziell. Sie hilft, den Geist zu formen und die Konzentration auf die wichtigen Dinge des Lebens zu lenken, sie hilf im Hier und Jetzt zu leben um am Ende die Dinge so zu sehen, wie sie wirklich sind: ohne Substanz, ohne ein Ich oder Mich oder Mein!
Die Meditationsübung, die in Suan Mokkh gelehrt wird, heißt Anãpanasati und sie soll geübt werden, um Leichtigkeit, Helligkeit, Energie und Glück im Geist zu erlangen.

Buddhadasa hielt es für angemessen, in einem einfachen Zimmer auf einem Betonbett zu schlafen, seine Vorträge auf einem Betonsitz zu halten, nur einmal am Tag zu essen (wie es unter den buddhistischen Mönchen des Theravada Buddhismus üblich ist), nicht als „Heiliger“ verehrt zu werden (trotz seiner großen Anhängerschaar) usw. Er sagte auch, es braucht keinen großen, vergoldeten und teuren Tempel, um Buddha zu verehren. Darum gibt es in Suan Mokkh keinen „richtigen“ Tempel sondern einen natürlichen – die Buddhastatue steht auf einer kleinen Anhöhe unter dem üppigen Blätterdach der umliegenden Bäume.

Soviel um euch ein Bild über den Gründer des Klosters, in dem ich 10 Tage meditierend und schweigen verbracht habe, machen zu können.


Als ich mich für den Retreat persönlich anmeldete, wurden mir zuerst die 8 Lebensregeln (oder Attha Sila in Pali) nach denen man in den 10 Tagen leben soll, vorgestellt:

1.       Ich will mich des Tötens enthalten (dazu zählen alle Lebewesen, auch Mücken!)
2.       Ich will mich enthalten, mir anzueignen, was der Besitzer mir nicht gab
3.       Ich will mich der Unkeuschheit enthalten (irgendwie typisch für alle Religionen…)
4.       Ich will mich enthalten, unwahres zu sagen (übersetzt heißt das, ich musste 10 Tage schweigen)
5.       Ich will mich berauschenden Substanzen enthalten, die Leichtsinn bewirken (also keine Drogen, Alkohol, Zigaretten, Zigarren, Kleber und was es sonst noch alles gibt…)
6.       Ich will mich enthalten, zur unrechten Zeit zu essen (d.h. es gab nur zwei Mal am Tag etwas zu Essen, zum Frühstück und Mittagessen. Von Nach Mittag bis zum Morgengrauen wird traditionell keine feste Nahrung zu sich genommen um seinen Geist nicht abzulenken und Zeit für wichtigeres zu haben)
7.       Ich will mich enthalten, zu tanzen, singen, spielen, mir Blumen anzustecken, mich auffallend und geschmückt zu kleiden, mich zu parfümieren und kosmetisch aufzuputzen (also gab ich meinen geliebten iPod, mein Netbook und meine Bücher ab sowie meine Uhr, ich trug nur lange Hosen die bis über das Knie reichen und T-Shirts die die Schultern bedecken, ich trug keinerlei Schmuck und sah mich auch 10 Tage lang nicht im Spiegel!)
8.       Ich will mich enthalten, auf üppigen und breiten Betten zu ruhen (und das heißt, dass ich in den insgesamt 12 Nächte auf einem Betonbett mit millimeterdünner Strohmatte, einer Decke und einem Holzkopfkissen geschlafen habe!)

Diese Regeln konnten mich nicht abschrecken, auch wenn es hart klang (vor allem das Bett und das Kopfkissen) und auch hart wurde (vor allem die Auseinandersetzung mit mir selbst – was gar nichts mit den Regeln zu tun hatte) wollte ich mir diese Erfahrung nicht entgehen lassen.

Eine andere Regel lautet, dass um 4 Uhr morgens die Nacht rum ist. Um euch ein Bild vom Tagesablauf machen zu können, hier der Zeitplan:

04.00  ***
Aufwachen                               
04.30
Morgenlesung
04.45
Sitzmeditation
05.15
Yoga / Übungen – Geistesgegenwart in Bewegung
07.00  ***
Dhammavorlesung & Sitzmeditation
08.00
Frühstück und Hausarbeit / Freizeit
10.00  ***
Dhammavorlesung
11.00
Lauf-  oder Standmeditation
11.45  ***
Sitzmeditation
12.30
Mittagessen und Hausarbeit / Freizeit
14.30  ***
Meditationsinstruktion und Sitzmeditation
15.30
Lauf-  oder Standmeditation
16.15  ***
Sitzmeditation
17.00  ***
Chanting (Singen) & “Liebenswürdigkeitsmeditation”
18.00
Tee & Heiße Quelle
19.30  ***
Sitzmeditation
20.00
Gruppenlaufmeditation
20.30  ***
Sitzmeditation
21.00  ***
Schlafenszeit
21.30  ***
Licht aus!


Die Sternchen *** bedeuten allerdings, dass eine Glocke geläutet wird:



Auch das konnte mich nicht abschrecken, ebenso wenig wie die großen und kleinen Tierchen, die es dort in der „Natur“ so gibt, wie u.a. riesige Spinnen, Skorpione, Riesenechsen und –geckos, mindestens 3 verschiedene Arten von Ameisen, Fledermäuse, Kakerlaken, Heuschrecken, Mücken, Gottesanbeterinnen, Tausendfüßler und manchmal verirrt sich angeblich auch eine Schlange in das Gelände.

Gewaschen wurde an kleinen Wasserbecken und „geduscht“ wurde an großen Wasserbecken, um Wasser zu sparen. Man musste sich dazu mit einem Sarong bedecken, den man zu keiner Zeit abnehmen durfte. Waschen in Unterwäsche, Bikini oder gar nackt war untersagt. Es gibt eine heiße Quelle in einem natürlichen Becken (eher ein Tümpel) den man auch nur mit dem Sarong bedeck betreten durfte. Auf dem Weg dorthin musste man sich die Schultern bedecken – man könnte ja einem Mann über den Weg laufen. Apropos Männer: vom anderen Geschlecht wurde man strikt getrennt. Die Männer hatten eine eigene Seite zum Essen und zum Meditieren, eine eigene Halle für den Meditationslauf, sie gingen um einen anderen der drei Weiher für den nächtlichen Meditationslauf als wir Frauen und sie durften auf dem Weg in ihre Zimmer, welcher an unseren vorbeiführte, den Blick nicht heben und reingucken. Das klingt jetzt alles vielleicht etwas albern oder sogar diskriminierend aber zum Einen ist das eben eine andere Kultur (Thema Sarong) und zum anderen soll vermieden werden, dass einen das andere Geschlecht auf dumme, unzüchtige Gedanken bringt und somit vom Wesentlichen ablenkt (siehe Lebensregel 3).


Es gab auch eine Hausarbeit zu erledigen, die man sich am ersten Tag aussuchen konnte. Ich habe mich für das Toiletten putzen eingetragen, ich wollte diesmal einfach über meinen eigenen Schatten springen und das machen, was ich am wenigsten gerne tue. Es wurde dann das, was ich am zweitwenigsten gerne machen (am wenigsten mag ich Fensterputzen und hier gibt es weit und breit keine Fenster)!

Ich glaube, das alles ist absolut auszuhalten für 10 Tage. Danach kann man ja wieder alles machen, was man will.

Noch kurz ein Wort zum Essen: es gab eine Reis-Graupen-Suppe mit etwas Gemüse, manchmal Bananen oder Kekse und Tee zum Frühstück und überaus leckere Currys mit Gemüse aus eigenem Anbau, Tofu und braunem Reis und ein alternatives, nicht scharfes Gericht, meistens mit Glasnudeln und viel Gemüse, merkwürdige Nachspeisen mit Kokosmilch (in der Kokosmilch fand sich manchmal Mais welcher aber ganz lecker schmeckte als Süßspeise oder Bohnen oder pappeartige Bällchen oder brauner Reis oder Glibberzeug mit weißen Perlchen – entschuldigt bitte dass ich dafür keine Namen habe aber ich konnte ja nicht fragen was es ist) und noch mehr Tee.
Zum eigentlichen Tee um 6 Uhr gab es dafür heißen Kakao auf Sojamilchbasis.
Absolut und 100 % vegetarisch! 



Nun möchte ich euch meinen Fortschritt tageweise wiedergeben:

Ankunftstag:
Es gibt viele Regeln zu beachten und viele Schilder dazu. Im ersten Moment fand ich das etwas übertrieben, es macht aber Sinn, da es sich ja um einen Schweige-Retreat handelt!
Alle und alles ist sehr durchdacht und fördert die Geistesgegenwart und das liebenswürdige und friedfertige und freundliche zusammenleben.
Ich bin in freudiger Erwartung auf das, was da kommen mag. Ich kann das Experiment „Schweigen“ kaum erwarten.
Auf die Erfahrung mit dem „Bett“ und dem Holzkopfkissen könnte ich jedoch gerne verzichten!

Stimmung: neugierig/nachdenklich
Befinden: gut
Highlight des Tages: die Entdeckung des Holzkopfkissens


Tag 1: Something like this and something like that
Meditation ist ganz schön schwierig. Uns wurde das Meditationsprinzip des Buddhadasa beigebracht, welches einfach nur darauf beruht, sich auf seine Atmung zu konzentrieren. Man soll fühlen, wie die Luft durch die Nasenlöcher eindringt, ihn bis zum Nabel verfolgen und wieder zurück bis er aus den Nasenlöchern ausströmt. Dabei soll man seine Gedanken frei machen und an nichts anderes denken, als an seine Atmung. Das ist der erste Schritt und ihr denkt jetzt wahrscheinlich, wie ich, dass das doch gar nicht schwierig sein kann. Falls das so ist, versuche es einfach mal. Setzt dich aufrecht hin, schließe die Augen und konzentriere dich auf deine Atmung, NUR auf deine Atmung!
Assasãmiti sikkhati (atme ein)
Passãsamiti sikkhati (atme aus)
Fertig? Wie lange hast du es geschafft? 5 Minuten? 5 Sekunden? Also ich habe es am Anfang vielleicht ein paar Sekunden geschafft, dann sind meine Gedanken um die Welt gewandert.
Noch dazu war ich total schläfrig und am verhungern.
Der Gruppenmeditationslauf um einen der Weiher im Kerzen- und Mondschein war allerdings bezaubernd.

 Stimmung: nachdem ich gefrühstückt hatte super, aber immer noch nachdenklich.
Befinden: Knie tun weh vom vielen Sitzen im Schneidersitz
Highlight des Tages: Frühstück

Verehrung des Buddha
(Pali mit Deutscher Übersetzung)

Namo tassa bhagavato
Arahato
Sammãsambuddhassa

Verehrung des Erhabenen,
der gänzlich den Kiesa-Giften entrückt,
ganz aus sich heraus voll erwacht. 



Tag 2: piti (Begeisterung)
Was für ein wunderschöner Tag. Ich habe mir während der Meditation, als ich mich nicht mehr auf meine Atmung konzentrieren konnte, ganz tolle Pläne gemacht um mehr Geistesgegenwart und Struktur in meinen Tages- bzw. Wochenablauf zu bringen, da mir der Rhythmus hier so gut tut. Wie man daraus schließen kann klappt das mit der Meditation noch nicht so richtig. Mir geht es aber nicht alleine so. Immer wenn ich die Augen öffne, sehe ich einige bereits um sich blicken und die Glieder strecken und nach und nach werden es immer mehr. Ich bin richtig froh, dass ich keine Uhr habe! So kann ich nur verzweifelt auf das Glöckchen warten, dass am Ende der Meditationszeit geläutet wird.
Ich war manchmal ganz schön streng zu meinem „Affengeist“, der einfach keine Ruhe geben wollte und wie ein Äffchen von Ast zu Ast gesprungen ist und einfach nach allem griff, was es gesehen hat.

Stimmung: *hüpfhüpf* Ich bin voll guter Dinge und könnte die Welt umarmen
Befinden: supergut
Highlight des Tages: die heiße Quelle (die wirklich SEHR heiß ist)

Eine Nacht

Verflossenem laufe nicht nach voller Wünsche; was noch nicht eingetroffen, ersehne nicht!
Vergangenes ist vorbei, noch nicht erreicht Zukünftiges.
Wer alles Gegenwärtige klar durschaut, so wie es hier und jetzt vor Augen auftaucht,
bewahre diesen Blick fest ohne Schwanken!
Eben jetzt heißt es sich anstrengen; wer weiß vielleicht ist morgen schon der Tod.
Nicht nachlassen dürfen wir im Kampf mit Mara und seinen Scharen.
Wer so Tag und Nacht unermüdlich, unerbittlich strebt, den nennt der stille Weise „verehrungswürdig“,
selbst wenn ihm nur eine Nacht noch vergönnt ist.



Tag 3:  Finde einen friedvollen Geist
Ich spüre heute alles intensiver: den Grund unter meinen Füßen und die Sandkörner zwischen den Zehen, den Schmerz in meinen Knien und in der Schulter, die leichte, sommerliche Briese auf der Haut, die Mücke, die auf meinem Arm landet.
Uns wurde gesagt, man solle sich nichts dabei denken wenn der Geist noch nicht friedvoll wird, denn Tag 1-3 wären die schwersten. Wir bekamen den Tipp, unsere guten Gedanken, Liebe und Mitgefühl in unserer Meditation auf der ganzen Welt zu verteilen. Ich habe mich gefühlt wie ein Glücksbärchi mit einem riesigen Herz auf dem Bauch, welches vom Ende des Regenbogens aus Liebe auf die ganze Welt ausstrahlt. Das hat wirklich wunderbar geklappt und mich noch dazu sehr glücklich gemacht.
Trotzdem frage ich mich öfters, ob ich das  hier grundsätzlich „gut“ mache. Ich glaube aber, es geht gar nicht um „gut“ oder „schlecht“, es geht wohl darum, es überhaupt zu probieren.

Stimmung: tot müde, und nicht nur körperlich. Ich wünsche mir so sehr, dass mein Geist endlich „ruhe“ gibt. Es ist so ermüdend, so viel zu denken.
Befinden: mörderische Kopfschmerzen
Highlight des Tages: Sichtung zweier Riesenechsen so groß wie Dackel

Möge Jedermann glücklich sein
Möge Jedermann frei sein von Feindschaft
Möge Jedermann frei sein von Böswilligkeit
Möge Jedermann frei sein von Sorge
Möge Jedermann seine Gesundheit erhalten
Möge Jedermann befreit werden von allem Leid
Möge Jedermann nicht getrennt werden von dem Vermögen, das sie erlangt haben.
Jedermann ist der Besitzer seiner Taten
Erbe seiner Taten
Geboren aus seinen Taten
Verwandt mit seinen Taten
Unterstütz durch seine Taten
Was auch immer man macht
alles Gute wie Schlechte
Von diesem Karma wird man der Erbe sein.



Tag 4: vedanã (Gefühle)
Heute habe ich ganz schlimme Stimmungsschwankungen. Am Morgen hatte ich überhaupt keine Lust auf Meditation und es wieder und wieder zu probieren und doch zu scheitern. Daher schlief ich lieber noch ein halbes Stündchen bei der ersten Meditation um 4 Uhr morgens.
 Ich kann keinen klaren Gedanken fassen, mir schwirrt der Kopf. Dafür sehe ich die (Um)Welt umso klarer, ich bin sehr Aufnahmefähig und kann den Lektionen viel besser folgen.
Ich betrachte mir die Welt heute gerne „auf dem Kopf“ und alles sieht gleich ganz anders aus.
Ich genieße es heute besonders die Ruhe und dass ich diese Erfahrung ohne das Geschnatter und den Meinungs- und Empfindungsaustausch anderer erleben darf.
Durch das Schweigen gibt es auch kein „Getratsche“ (denn manche Teilnehmer würden wirklich Anlass dazu geben – das Handy einer Teilnehmerin klingelte z.B. mitten in der Nacht und sie nahm ab und REDETE, eine andere ging ohne bedeckte Schultern zur heißen Quelle, wieder eine andere trug ein Tank Top mit durchsichtigem Schaal über den Schultern usw.). Es ist zum einen schön, dass das Schweigen das Miteinander trotzdem so harmonisch gestaltet und zum anderen finde ich es toll, dass nicht alles so engstirnig gesehen wird seitens des Klosters.

Stimmung: himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübt
Befinden: schwerfällig, fühle mich sehr steif und ungelenkig
Highlight des Tages: Am Abend hat sich meine Geduld endlich bezahlt gemacht und ich hatte meinen Durchbruch! Erst konnte ich drei Mal die gesamte Meditationssession hindurch ruhig sitzen und auf die Atmung konzentrieren fast ohne störende Gedanken – mein Geist ist von Mal zu Mal ruhiger geworden – und dann, während der letzten Session des Tages, hatte ich zum ersten Mal das Gefühl nur noch zu atmen ohne einen einzigen Gedanken. Das Glücksgefühl, welches mich in diesen Sekunden oder Minuten (schwer zu sagen, wie lange es anhielt) durchströmte ist nicht in Worte zu fassen.


Mentale Notiz des „denken denkes“

Beobachte
Ohne Urteil
Ohne Reaktion
Um sich zu behaupten
Ohne es als das „Meine“ oder das „Ich“
zu betrachten
Ohne sich damit zu identifizieren. 



Tag 5: Finde deinen persönlichen Mittelweg
Jetzt kann es so richtig losgehen! Es sieht so aus, als ob ich heute, auf halber Strecke, vollends an das Leben hier gewöhnt hätte: an das frühe Aufstehen, die Morgenmeditation, das Yoga um 5 Uhr morgens, dass es nur zwei Mal am Tag Essen gibt, das „Nicht-Sprechen“ – nur Schweigen und Zuhören, das Betonbett, das Waschen im Sarong am Wasserbecken, die Mücken (siehe Lebensregel Nr. 1) … ich habe meinen persönlichen Mittelweg gefunden!
Alles läuft dementsprechend: mal meditiere ich mit – mal nicht. Wenn ich aber mitmache, klappt es ganz gut.
Einige Teilnehmer reden ab und zu leise miteinander. Ich kann es ja verstehen. Es sind vor allem die jüngeren Mädels, die ab und zu etwas bereden. Ich komme sprachlos immer noch super zurecht.

 Stimmung: bedächtig
Befinden: blendend, keine Schmerzen mehr bis auf die Knie wenn ich falsch sitze
Highlight des Tages: Ich konnte eine der Riesenechsen eine halbe Stunde lang beim Schwimmen und umherkriechen beobachten.

„There should always be the greatest effort possible –
Without forcing, without creating tension.”



Tag 6: aniccãn (Vergänglichkeit)
Um 4 Uhr morgens war es sehr kalt, ich habe gefroren wie ein Schneider. Im Laufe des Tages wurde es dann immer heißer und heißer, ich habe geschwitzt und mich sehr müde und träge gefühlt. Am späten Nachmittag wurde es dann merklich kühler und es fing an zu Regnen und Nachts war es dann wieder sehr kalt. Aller hier ist im Fluss und ich lasse mich einfach mittreiben.
Meine Sinne (ayatana) sind aber voll da. Ich nehme alles sehr intensiv war: die Geräusche um mich herum, die Farben, die Hitze und Kälte und die Gerüche…
Heute wurde in einem Vortrag über das „Samudaya-Vãra“ gesprochen.
Aus Ignoranz entsteht Kontakt.
Aus Kontakt entsteht Gefühl.
Aus Gefühl entsteht Verlangen.
Aus Verlangen entsteht Bindung.
Aus Bindung entsteht Werden.
Aus Werden entsteht Geburt.
Aus Geburt entsteht Leid.
Aus Leid entsteht Ignoranz.
Diesen Kreislauf des Entstehens kann man in jede Lebenslage integrieren. Ein ganz simples Beispiel: hier riecht es manchmal nach Räucherschinken. Natürlich gibt es in ganz Thailand weit und breit keinen Räucherschinken und wahrscheinlich wird irgendwo in der Nähe des Zentrums einfach nur etwas ganz schreckliches Verbrannt. Ich aber denke bei dem Geruch an Schinken (Ignoranz) und mir läuft bei dem Gedanken das Wasser regelrecht im Mund zusammen (Kontakt). Daraus entsteht ganz klar ein Gefühl und aus diesem wiederum ein unbändiges Verlangen nach einem saftigen, herzhaften Stück Räucherschinken. Ich klammere (oder binde) mich an den Gedanken und daraus entsteht im übertragenen Sinn ein „Ich-/Mein-/Mich-“ Gefühl (Werden und Geburt). Ihr könnt euch vorstellen, dass ich bei dem Gedanken an den Schinken, den ich hier nirgendwo herbekommen kann, aber so unbedingt haben will, sehr leide! Und daraus entsteht wiederum Ignoranz, weil ich den Gedanken einfach nicht loslassen kann, obwohl ich es eigentlich besser wissen müsste. Das ist das Samudaya Vãra und auch teilweise der erste der „vier edlen Wahrheiten“, welche uns genau sagt, was die Dinge wirklich sind: die Quelle des Leidens.
Die „zweite edle Wahrheit“ besagt, dass Begehren die Ursache des Leidens ist.
Die „dritte edle Wahrheit“ besagt, dass die Freiheit vom Leiden, Nirvana, die völlige Beseitigung des Begehrens ist.
In der „vierten edlen Wahrheit“ wird der Weg genannt und bildet die Methode zur Beseitigung des Leidens. Hierfür ist der „achtfache Weg“, der das Begehren vernichtet, der ausgezeichnetste und wertvollste Teil des menschlichen Wissens.
Der achtfache Weg besteht aus richtigem Verständnis, richtiger Zielsetzung, richtigem Sprechen, richtigem Handeln, richtigem Lebensunterhalt, richtigem Bemühen, richtiger Achtsamkeit und richtiger Konzentration.

Befinden: ich fühle mich wie gerädert
Stimmung: dementsprechend bescheiden
Highlight des Tages: „Das ABC des Buddhismus“ und Texte über Meditation, die im Essensaal zum Lesen für uns bereitgestellt wurden!


Erkenne, dass die Elemente
Erde, Wasser, Feuer, Wind und Raum
sowie die sechs ayatana (Sinnesorgane)
Auge, Ohr, Nase, Zunge, Körper und Geist
und deren Sinnesobjekte
Form, Geräusch, Geruch, Geschmack, Gefühl und Gedanke,
vergänglich sind!


Tag 7: samadhi (Unbeständigkeit)

„Ich bin kein Meditator – Holt mich hier raaaaaaaaaauuuuuuuus!“
Was für ein „Meditationsmarathon“ bereits hinter mir liegt. Die Meditationssessions, vor allem am Vormittag zwischen Frühstück und Mittagessen, werden immer härter und langweiliger weil ich mich einfach nicht konzentrieren kann. Ich bin beeindruckt, dass das manche tatsächlich durchstehen und wirklich die ganze Zeit über ruhig dasitzen.
Zu allem Übel kann ich mich heute selbst nicht ausstehen. Ich habe mich bereits so lange mit mir selbst beschäftigen müssen, dass ich von mir selbst absolut genervt bin. Leider kann ich mir selbst schlecht aus dem Weg gehen – also schlafe ich bei jeder Gelegenheit und sehne mich sehr nach meinem iPod! Es war wieder sehr heiß über die Mittagszeit bis am späten Nachmittag endlich der Regen kam, der für eine willkommene Abkühlung sorgte und meine Laune ein wenig verbesserte. Komisch ist das schon: sonst habe ich immer schlechte Laune wenn es regnet – hier macht es mich regelrecht glücklich.

Stimmung: bääääääääääh
Befinden: Bauchkrämpfe nach dem Frühstück
Highlight des Tages: keine Hausarbeit, da ich es gestern für meine Kloputz-Partnerin mit übernommen habe, dafür habe ich während dessen meine Magenkrämpfe „weggeschlafen“.

Seeing that we are better than others is not right.
Seeing that we are equal to others is not right.
Seeing that we are better than others is not right.
Seeing that we are inferior to others is not right.

If we think we are better than others, pride arises.
If we think we are equal to others, we fail to show respect
and humility at the proper times.
If we think we are inferior to others, we get depressed,
thinking we are inferior, born under a bad sign and so on.
Just let all of that go!
Reflection by Ajahn Chah



Tag 8: ayatana (Sinne)
Heute achte ich besonders auf die Geräusche um mich herum, vor allem wenn ich mich während der langen Meditationssessions nicht auf das Meditieren konzentrieren kann (die Vorträge wurden ab heute gestrichen und durch mehr Meditationsmöglichkeiten ersetzt).
Die vielen Vögel zwitschern, pfeifen, gackern, schnattern, trällern und tirilieren ein ganz wundervolles Konzert, welches vom zirpen der Grillen, vom Schrei des Käuzchens, vom Summen der Bienen und Fliegen, vom gegluckse des Geckos, der die Wand hinab schleicht und vom rascheln der Blätter im Wind  unterstützt wird…
Es stimmt mich nachdenklich, dass so viele bisher den Retreat verlassen haben – vor allem jetzt, wo sie schon so weit gekommen sind. Insgesamt müssen bisher 15 Leute aufgegeben haben. Und wieso bin ich eigentlich noch hier? Das Ganze fällt mir wirklich nicht gerade leicht… vor allem das frühe Aufstehen, das lange sitzen in der Mittagshitze und das „Mit-mir-selbst“ klarkommen.
Grundsätzlich ist aber nichts dabei, was nicht noch ein paar Tage auszuhalten wäre.
Naja, außer mein Selbstexperiment, mich während der 10 Tage nicht zu rasieren. Das habe ich heute aufgegeben!

Stimmung: guter Dinge
Befinden: alles ist im Einklang
Highlight des Tages: Die Info an der Infotafel bezüglich des nächsten Tages, die besagte: morgen leben wir wie ein Mönch/eine Nonne – der große Tag des Schweigens! Das bedeutet, die Regeln werden ein wenig verschärft, es wird nur ein Mal am Tag etwas zum Essen geben (was für viel Entsetzen unter den Teilnehmern sorgte), es gibt keine Vorlesungen, keine Gesangsstunde, es darf nichts – rein gar nichts – geredet werden. Dafür bekommen wir viel Zeit für unsere persönliche Meditationsübung im eigenen Rhythmus (insgesamt 17 Stunden!).
Da soll nochmal einer behaupten, die ersten drei Tage wären die schwersten. Ich ahne schreckliches – das wird bestimmt der langweiligste Tag meines Lebens!

Menschen machen ihre Fortschritte in unterschiedlichen Rhythmen.
Aber es ist egal, wie schnell oder langsam wir sie machen,
solange wir sie in die richtige Richtung machen
ist weitergehen alles was wir tun müssen.
Auch wenn es ein Jahr, oder sechzig Jahre oder fünf Leben dauert,
solange wir uns dem Licht entgegen bewegen,
ist das alles was zählt! 



Tag 9: dhuka (Leid) oder: die Realität über dich selbst in dir
Lebe wie ein Mönch – mit diesem Tag sollte uns wohl die Möglichkeit gegeben werden, uns Meditieren im eigenen Rhythmus vertiefen zu lassen. Bei mir wurde nur bewirkt, dass ich die Nase voll habe vom Rumsitzen und Atmen.
Der Tag an sich war aber gar nicht so schrecklich, wie ich vermutet hatte. Ich habe keine Ahnung, warum er relativ schnell vergangen ist wenn ich bedenke, was ich 17 lange Stunden lang alles gemacht habe: erst habe ich eine Meditationsschlaf um 4 Uhr morgens gehalten, dann 2 Stunden Yoga gemacht, dann nochmal Meditation und anschließend gab es unsere einzige Mahlzeit des Tages, die aber sehr kräftig und Proteinhaltig war. Danach habe ich meine Wäsche und mich selbst gewaschen, die Toiletten geputzt und nochmal versucht zu meditieren. Dann habe ich mir einen Baum zum Meditieren gesucht und bin von einem Baum zum anderen gerannt, weil mir keiner gut genug gefallen hat. Der erste war zu groß, der zweite zu klein, der nächste nicht schön genug, beim nächstens war es zu „laut“ und der letzte hatte zu viele Ameisen. Irgendwann ist mir aufgefallen, dass es gar nicht an den Bäumen lag, sondern daran, dass ich einfach keine Lust hatte zu meditieren. Dann habe ich eine Weile eine Raupe beobachtet und mir anschließend ein kühles Plätzchen gesucht, wo ich Löcher in die Luft starren konnte. Irgendwann bemerkte ich eine Riesenechse und beobachtete diese für eine lange Zeit. Dann gab es den „Mittagstee“, der eigentlich eher eine Art Kürbissuppe war, und schon war es Zeit für mein Mittagsschläfchen. Dann hab ich wiedermal so getan, als ob ich meditiere, hab noch mehr Löcher in die Luft gestarrt, bin um den See gelaufen, hab Fische und Ameisen beobachtet, meinen Abendkakao getrunken, bin in den heißen Tümpel gesprungen, habe ein paar Mantras gebetet, wieder so getan als ob ich meditiere und dann war der Tag auch schon rum!
Zum Glück war ich den ganzen Tag über nicht hungrig, sonst wäre das ganze wirklich übel geworden. So war es ganz erträglich, ich habe die Zeit genutzt, um über mich selbst nachzudenken (was ich sehr intensiv gemacht habe – wenn ich nicht gerade irgendwelche Krabbeltierchen beobachtete) um wieder mit mir selbst ins Reine zu kommen.

Stimmung: unruhig, vorfreudig (auf Tag 11)
Befinden: alles im Lot, außer dass mir der viele Tofu vom Mittagessen wie ein Stein im Magen liegt!
Highlight des Tages: der ganze Tag!

Clean your mind
By talking and listening,
By investigating and meditating.



Tag 1o: suska (Glückseeligkeit)
Nun habe ich es fast geschafft und 10 Tage Meditationsmarathon liegen bald hinter mir! Worauf ich mich am meisten freue? Auf meinen iPod – definitiv! Wenn ich so darüber nachdenke, vermisse ich sonst gar nichts so richtig. Natürlich wäre ein weiches Bett nicht schlecht und mal wieder meine E-Mails abrufen um zu erfahren was zu Hause los ist und ob es allen meinen Lieben gut geht, ist absolut notwendig (ich musste so oft an alle meine Lieben zu Hause denken!).
Aber sonst… Alles andere, was ich mir einbilde haben zu wollen (wie Räucherschinken z.B. oder einen herzhaften Bissen in einen Schokoweihnachtsmann – hmmmm – ich kann die Schokolade regelrecht knacken hören… oder eine Umarmung von meinen Lieben) bekomme ich hier in Thailand sowieso nicht. Daher könnte ich es  – mit meinem iPod – schon noch aushalten. Worauf ich allerdings gut und gerne verzichten könnte, ist das übertrieben viele meditieren.
Wir haben heute Unkraut gejätet – das hätten wir gerne öfter machen können anstelle von Meditation!
Würde ich so einen Retreat wieder machen? Ich weiß es nicht! Ich lasse mal ein bisschen Zeit vergehen, vielleicht geht es mir mit dem Retreat ja wie mit meiner Einstellung zu Indien: jetzt, wo ein bisschen Gras über die Sache gewachsen ist, wäre ich unter Umständen sogar wieder bereit, mir das Land nochmal „anzutun“ – für einen Ashram-Retreat oder um mir Dharamsala anzusehen.

Merkwürdiger Weise fühle ich mich heute ganz traurig, ich kann aber gar nicht genau einordnen, woran das liegt. Es wird doch nicht etwa am Ende dieses Retreats liegen? Habe ich etwa „Angst“ vor der „realen“ Welt da draußen, wo ich wieder für mich selbst sorgen muss, wo ich alleine Entscheidungen treffen muss, wo ich auf mich alleine gestellt bin?

Ich habe mich, besonders in den letzten paar Tagen, sehr intensiv mit mir selbst beschäftigt. Anstatt meine Atmung zu erforschen habe ich mein tiefstes Inneres erforscht, so intensiv wie noch nie in meinem Leben, und was ich in den Abgründen meines Selbst alles gefunden habe, hat mir ganz oft gar nicht gefallen.
Ich bin verunsichert. Versichert, wie ich mich selbst behaupten soll ich der „Welt da draußen“.

Mich verunsichert vor allem, dass ich noch immer nicht weiß, wohin ich will in diesem Leben – was ich überhaupt will. Was will ich?

Eines weiß ich ganz sicher: ich will endlich erwachsen werden!
Woran merkt man eigentlich, dass man „erwachsen“ ist? Muss man dafür z.B. heiraten, eine Familie gründen – also Verantwortung für andere übernehmen? Oder reicht es bereits, einfach  nur Verantwortung für sich selbst zu übernehmen? Und wenn das so wäre, wieso fühle ich mich dann gar nicht richtig erwachsen? Ich habe das Gefühl, ich krebse irgendwo zwischen „jungem Erwachsenen“ und „Kleinkind“ umher. In manchen Momenten bin ich so reif und erfahren, in anderen Momenten bin ich so unsicher, tapsig und unerfahren wie ein Kleinkind. Nun stelle ich mir die Frage: geht das nur mir so? Und merkt man irgendwann, dass man die Schwelle zum „Erwachsen“ überschritten hat?

Was will ich sonst? Die Antwort auf diese Frage erfordert wohl einen weiteren Retreat (oder mehrere?!).

Was ich mir auf jeden Fall verinnerlichen möchte ich folgende Weisheit (die uns hier wieder und wieder und wieder ans Herz gelegt wurde):

Lebe im HIER und JETZT.

Stimmung: traurig, melancholisch
Befinden: Kopfschmerzen
Highlight des Tages: Riesengecko in meinem Zimmer



10 Tage Meditationsretreat
Meine schönsten Erinnerungen:

·         10 Tage den Sonnenaufgang erleben während der Yogastunde
·         Große rote Ameisen beobachten, wie sie sich ganz neugierig meiner Hand nähern, zurückweichen, immer näher und näher kommen, immer wieder zurückweichen bis eine es endlich wagt, das unbekannte Objekt mit seinen Fühlern leicht zu berühren und wie sie dann ganz aufgeregt umher rennen, um die Erfahrung mit den anderen Ameisen zu teilen.
·         Riesenechsen beobachten
·         Das absolut leckere Mittagessen und dass ich zum ersten Mal seit langer Zeit (oder jemals?) aus den richtigen Gründen gegessen habe!
·         Tag 9 – 24 Stunden nichts Essen, nur Stille, Eins mit mir selbst werden - der schlimmste beste Tag des Retreats.

Manchmal muss man einfach nur seine Sichtweise ein wenig verändern,
um die Welt in einem völlig anderen Licht sehen zu können!


Für mehr Infos über den Retreat, wann und wo und überhaupt: 
http://www.suanmokkh-idh.org/idh-general.html