Sonntag, 26. Juni 2011

Nepal Teil 6: Serlo, die Lamas und Englischunterricht



Do not evil whatsoever
Cultivate virtue fully
Tame your mind completely
This is the teaching of the Buddha

Silence is prayer. Prayer is faith.
Faith is love. Love is service.
Service is peace.




Um fünf Uhr morgens werden die Lamas durch einen Gong geweckt. Von 6 bis 7 findet das Morgengebet im Tempel statt. Dieses wird begleitet von Trompeten, Handglocken (dril-bu), langen Hörnern (dung-chen), Muscheln und Trommeln. Dieses „Musik“, die wie Mittelaltermusik klingt, weckte mich für gewöhnlich auf.
Um  7 Uhr gibt es Frühstück und von 8 bis 11 haben die Lamas Unterricht in Tibetisch und, solange Martin und ich da waren, Englisch. Morgens unterrichteten wir die jungen Lamas zwischen 10 und 14 Jahren. Um 11 Uhr gibt es Mittagessen. Von 12 bis 13 Uhr müssen die Mönche ihre Handschrift in Tibetisch üben, von 13 bis 15 Uhr ist nochmal Unterricht. In dieser Zeit unterrichteten Martin und ich die älteren Mönche.
Um 15 Uhr gibt es Tee, danach ist eine Debattierstunde, von 17 bis 18 Uhr sind nochmal Gebete im Tempel (wieder begleitet von tibetischer Instrumentalmusik), um 18 Uhr gibt es Abendessen (zumindest für die Lamas, Martin und ich aßen mit den hohen Lamas Rinpoche, Khempo und Galden und das meistens etwas bis viel später) und von 19 bis 21 Uhr haben die Lamas Zeit, ihr gelerntes zu wiederholen und zu verinnerlichen. Um 21 Uhr ist Schlafenszeit.
Das Essen nehmen die Mönche in einer großen Essenshalle zu sich, Martin und ich aßen in einem kleineren Raum neben der Küche, der für die hohen Lamas und Gäste reserviert ist.


Unterricht findet in einem extra Gebäude statt. Wir hatten ein eigenes Klassenzimmer mit Tafel, kleinem Schreibtisch und einem Regal mit Spielen, welche Ria mitgebracht hatte.
Die Mönche saßen auf Sitzmatten auf dem Boden und schrieben mit ihren Heften auf den Knien im Schneidersitz. 


Leider gab es weder Bücher noch anderes Lehrmaterial, daher mussten wir uns täglich selbst etwas ausdenken. Wir gestalteten ein paar Arbeitsblätter aber meistens mussten die Mönche alles selbst aufschreiben. Manchmal erwischten wir ein Thema, dass sie bereits gelernt hatten, manchmal eines, dass zu schwierig war und dann wieder eines, dass viel zu leicht war. Ohne Lehrmaterial und Büchern ist es wirklich nicht einfach, den Unterricht sinnvoll zu gestalten.



Das Englisch der Kids ist leider unterdurchschnittlich für ihr Alter. Mit den kleinen Lamas machten wir Englisch auf Vorschulniveau, denn sie hatten fast alle ein ähnliches Wissen (bzw. kein Wissen), mit den älteren war es jedoch noch schwieriger, weil jeder unterschiedliche Kenntnisse hatte. Manche waren gut bis sehr gut, andere verstanden nur Bahnhof. Am schwierigsten war es, neue Vokabeln zu lehren, so ganz ohne Nepali- oder Tibetischkenntnissen. Daher erklärten wir meistens mit Händen und Füßen. Vor oder nach dem Unterricht ließen wir unsere Schüler immer noch für eine halbe Stunde spielen, da sie sonst nie die Gelegenheit dazu haben. 


Die Mönche besitzen grundsätzlich keine Spiele und haben auch keine Zeit zum Spielen, da es im Kloster immer etwas für sie zu tun gibt: sei es Küchendienst, putzen, Holz oder Heu holen, Holz hacken, eine neue Hundehütte bauen, beim Bau des neuen Gebäudes helfen, Steine schleppen, in Phaplu auf den Markt gehen, Tormas machen, etc. Die Arbeiten hier sind sehr vielfältig und es gibt wirklich immer was zu tun. Oftmals fiel der Unterricht auch aus, weil alle Mönche in den Wald gehen mussten um Holz zu hacken, Bäume zu fällen oder das Holz vom Berg herunterzutragen. 


Sogar die kleine Mönche mussten bei diesen Arbeiten mithelfen. Wenn wir Glück hatten wurde uns nach dem Frühstück oder Mittagessen gesagt, wenn der Unterricht ausfiel – meistens jedoch stellten wir das erst im Klassenzimmer fest, wenn wir vergeblich auf unsere Schüler warteten.
Als Martin und ich nach Taksindu unterwegs waren ereignete sich leider ein Unfall. Ein Mönch wurde beim  Baum fällen von einem großen Stamm am Kopf getroffen, die Schädeldecke brach und er wurde sofort bewusstlos. Man brachte ihn zuerst in die Krankenstation in Junbesi. Von dort wurde er am nächsten Tag mit dem Heli nach Katmandu geflogen. Ich wurde von Rinchhen, der mit dem verletzen Mönch nach Katmandu flog, auf dem Laufenden gehalten und erfuhr, dass es ihm nach der Operation recht bald wieder besser ging.

Dass Rinchhen plötzlich nicht mehr da war, war fast schon eine Tragödie für mich. Ich wusste gar nicht so richtig, was ich mit mir den ganzen Tag (und vor allem Abend) lang ohne ihn und unseren Gesprächen anfangen soll. Ich gewöhnte mich zwar bald an seine Abwesenheit, er hinterließ aber doch ein großes Loch und Serlo war nicht mehr der selbe Ort ohne ihn.


In meiner letzten Woche in Serlo wurde ich auch wieder richtig unruhig. Ich war immerhin bereits über 7 Wochen in der gleichen Umgebung (abgesehen von unserem medihimal-Ausflug) und ich brauchte dringend einen Tapetenwechsel. Daher kam es mir und Martin ganz gelegen, dass bald die „Fastenzeit“ der Buddhisten anfing. Uns wurde gesagt, dass zu dieser Zeit kaum Lamas in Serlo wären. Wir wären zwar herzlich eingeladen, auch am Fasten teilzunehmen, als uns aber erklärt wurde, dass es zum Einen nur ein Mal am Tag etwas zu Essen gibt (und zwar nur dieses fade Tsampa-Wasser-Gemisch) und zum Anderen an einem Tag weder gegessen,  getrunken noch geredet wird, entschlossen wir, die Einladung dankend abzulehnen und uns auf den Weg nach Katmandu zu machen.



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